Waldaist-
bühne

LH Mag. Stelzer verleiht Bühnenkunstpreis des Landes 2023 an Kulturverein kult:Mühlviertel
Lisa Wildmann und die Waldaistbühne erhalten Anerkennungspreise

Bei der Produktion „Das Menschenmögliche“ der Waldaistbühne handelt es sich um eine herausragende theatrale Leistung der Gedenkkultur: Von der Aufarbeitung des historischen Stoffes durch Andreas Gruber bis zur Umsetzung auf der Bühne. Der Anerkennungspreis für Bühnenkunst stellt hier eine Würdigung dar, sowohl für die großartige schauspielerische Leistung als auch für die organisatorische Leistung des Bespielens der Location mit allen Kunstgriffen. Der Zusammenschluss mehrere Vereine hat eine einzigartiges Theatererlebnis hervorgebracht – der große Publikumserfolg spricht für sich.

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Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr
 


Laudatio
Anerkennungspreis 23
„Das Menschenmögliche“ von Andreas Gruber


Ich bin ein Anhänger des Gedankens, dass jeder Profi, der es geschafft hat, 
sich von seinem Beruf zu ernähren, zu Beginn seiner Karriere nichts anderes war als eine Amateurin, oder ein Amateur. Ein Amateur im Sinne des Wortes: „Liebhaber“. Eine Liebhaberin / ein Liebhaber des Theaters. Als Profi ist man versucht, seine Wurzeln zu vergessen. Wie ein Exraucher, der es geschafft hat, den Niederungen seiner Sucht zu entkommen, blickt man etwas von oben herab auf die „Armutschkerln“, die es nicht geschafft haben. Und die Amateur:innen blicken manchmal grimmig, manchmal neidvoll nach oben 
und halten sich für minderwertig. Beides sind unnötige Vorgänge.

Denn in Wahrheit sind wir alle vereint in unsrer Liebe und Leidenschaft, 
uns in Geschichten zu versenken. 

Diese Geschichten, die wir alle erzählen, können harmlos sein, 
um das Publikum zu unterhalten, wogegen nichts einzuwenden ist. 

Diese Geschichten können aber auch im kollektiven Gedächtnis unsrer Gesellschaft verankert sein und durch ihre Beschäftigung damit, 
für die Beteiligten und die Zuschauenden, eine äußerst wertvolle Auseinandersetzung mit einer Zeit sein, in der die Menschen, 
zerrissen verführt oder selber überzeugt, gelebt haben 
und deren Auswirkungen noch heute spürbar sind. 
Das zu erzählen erfordert Mut. Denn die Aufarbeitung einer so traumatischen Vergangenheit ist unangenehm, und sich dem Unangenehmen zu stellen, 
zählt nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der österreichischen Seele.

Dass sich die WALDAISTBÜHNE mit dem Theaterstück 
„Das Menschenmögliche“ von Andreas Gruber 
über dieses Thema getraut hat, ist das eigentliche Wunder dieser Aufführung. 

Die Ingredienzien dieses Wunders sind die Theatergruppe Gutau und die nämliche von Tragwein, die sich für dieses Monsterprojekt zusammenschlossen, 
deren willensstarken Obmänner den Filmemacher Andreas Gruber baten, 
eine Theaterfassung aus seinem Drehbuch zu erstellen, 
und die die Regisseurin Eva Stockinger überredeten, die Regie zu übernehmen. 
Bühnenbild, Kostüme, Technik und die Musik wurden in bewährte Hände gelegt, 50 Darsteller*innen, (von denen 20 noch nie auf der Bühne standen), engagiert, und weitere gut 50 „gute Seelen“ gebeten, sich hinter der Bühne nützlich zu machen. 

Gut 6.000 Zuschauer:innen lockte diese Aufführung an, wohl auch zur Überraschung aller Beteiligten. 

Schon der Film von Andreas Gruber beschreibt bis in die kleinsten Verästelungen die Not der zu Tode Verdammten; 
den Hass und die Bösartigkeit derer, die ihren Tod herbeiführen wollen; 
die Feigheit derer, die ihren Tod wünschen, selber aber nicht töten wollen; 
den Druck auf die Bevölkerung durch das Regime ebenso wie die Scham und das schlechte Gewissen derer, die diese Unbarmherzigkeit ablehnen, aber nicht die Kraft haben, sie zu verhindern. 
Und vom lebensbedrohlichen Mut derer, die einfach nur helfen.

Diese Ausdifferenzierung menschlichen Verhaltens in einer mörderischen Diktatur, die nicht nur ihren Feinden, sondern auch der eigenen Bevölkerung das Niedrigste abverlangte oder zumutete, wurde in dieser Aufführung von allen Beteiligten außerordentlich beeindruckend eingelöst.

Ich konnte ja selber die Aufführung nicht sehen, erhielt aber einen Link 
zur Aufzeichnung und saß gebannt und paralysiert vor meinem Computerkastl, um erschrocken und emotionell sehr mitgenommen, der Handlung zu folgen. Wenn man weiß, wie wenig Videoaufzeichungen von den eigentlichen Stimmungen widerspiegeln, die man live erleben kann, 
kann man die Kraft dieser Aufführung ermessen. 

Das nächste Wunder war die Art, wie das Stück erzählt wurde. Eva Stockinger und ihr Team wendeten eine Fülle zeitgenössischer Formen an, um sich dem Thema anzunähern. 
Fast dokumentarisch, in einer reduzierten Erzählform, klar und ohne Kitsch, 
mit Momenten eindrücklicher Stille, wurde von Menschen erzählt, 
die ausnahmslos alle in Angst leben. 
Die Haltungen der Figuren waren reduziert auf das Wesentliche und geduldig wurde das Beste und Schlechteste im Menschen ausgelotet, das ihn in solchen Zeiten überkommt. Die Kritik am System des Nationalsozialismus war immer klar, ohne die Menschen in ihrer Not zu verurteilen. 

Der sparsame Einsatz der Musik, die schlichte, in den Umbauten aber raffinierte Bühne, die klar eingesetzte Ästhetik der Kostüme ermöglichten es, sich auf die hochkonzentrierte und ernsthafte Auseinandersetzung der Darsteller*innen mit dieser Zeit einzulassen.

Wir gratulieren herzlich zum Anerkennungspreis des Landes Oberösterreich! 
Danke für Eure „Liebhaberschaft“, die inhaltlich jede Amateurhaftigkeit pulverisierte. 
„Hut ab“ ist ein Hilfsausdruck für Eure Leistung! 
Wühlt weiter in unsren Seelen! 
Wir brauchen diese Art von Theater wie das trockene Brot!

Joachim Rathke